Sonntag, 24. März 2024 • 19.00 Uhr • Bartholomäuskirche Nassau
Montag, 25. März 2024 • 19.30 Uhr • Friedenskirche Bad Brückenau
Mittwoch, 27. März 2024 • 19.30 Uhr • Mutterhauskirche der Erlöserschwestern Würzburg
Einführung jeweils 20 Minuten vor Konzertbeginn
leer
Vexilla Regis
1. Jesus wird zum Tode verurteilt
2. Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern
3. Jesus stürzt zum ersten Mal unter dem Kreuz
4. Jesus trifft seine Mutter
5. Simon hilft Jesus, das Kreuz zu tragen
6. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
7. Jesus stürzt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
8. Jesus begegnet weinenden Frauen
9. Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz
10. Jesus wird entkleidet
11. Jesus wird ans Kreuz genagelt
12. Jesus stirbt am Kreuz
13. Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt
14. Der Leichnam von Jesus wird ins Grab gelegt
*
Die vierzehn Kreuzigungsstationen des ‚Via Crucis‘ von 1878 sind selbst für Franz Liszts Spätwerk ungewöhnlich. In den sehr unterschiedlichen Stücken geht er an die Grenzen der Tonalität und immer wieder darüber hinaus. Das Werk ist in seinen klanglichen Gratwanderungen selbst nach 150 Jahren eine Herausforderung für die Zuhörer. Die Zeit scheint immer wieder stehenzubleiben, Melodien münden ins Nichts. Längere einstimmige Passagen, Sequenzen und Ostinati erklingen, das Tempo wird oft bis zur Unerträglichkeit verlangsamt. All das wirft den Hörer auf sich selbst zurück, verlangt kontemplatives Zuhören – und verweist gleichzeitig radikal auf das Kreuzigungsgeschehen.
Liszts langjährige Lebensgefährtin Caroline von Sayn-Wittgenstein schrieb dazu: „Nie hat er noch so komponiert, man möchte glauben, dass er die höchsten Spitzen der Erde verlassen hat, um im ätherischen Blau zu schwimmen.“
Franz Liszt (1811-1886) ist bis heute vor allem als Klaviervirtuose und ‚erster Popstar‘ in Erinnerung, obwohl er bereits 1847 den großen Konzertpodien den Rücken gekehrt hatte. In seinen letzten Jahren schuf er Werke, die weit ins 20. Jahrhundert vorausweisen. Nachdem er 1865 die niederen Weihen empfangen hatte und sich fortan ‚Abbé Liszt‘ nennen durfte, komponierte er vermehrt geistliche Werke, von kürzeren Stücken bis zum über dreistündigen Oratorium ‚Christus‘.
Der Zyklus ‚Via Crucis‘ ist eines dieser geistlichen Spätwerke. Besonders die Solofassung gehört wohl zu seinen radikalsten und modernsten Werken: Reduktion auf Einstimmigkeit neben Klangexplosionen, Kirchentonarten neben Chromatik; gregorianische neben lutherischen Chorälen, vieles außerhalb der üblichen Regeln musikalischer Grammatik und Syntax.
Die Überschriften beschreiben ausreichend deutlich die Inhalte der einzelnen Abschnitte, alleine ‚Vexilla Regis‘ (Königsbanner) fällt aus dem Rahmen. Es verweist auf die Königsherrschaft Christi und wird im Stundengebet von Palmsonntag bis Karsamstag zur Vesper gesungen. Der ursprüngliche gregorianische Choral findet sich oben zu Beginn dieser Seite, Liszts recht genaue Übertragung sieht so aus:
Der Hymnus Vexilla regis wird im Stundengebet vom Palmsonntag bis zum Karsamstag zur Vesper gesungen. Das Vexillum regis ist ein Königsbanner, das auf die Königsherrschaft Christi hinweist. Die ersten Töne dieses Hymnus‘ sind Keimzelle für die Melodien vieler späterer Stationen.
Der zweite Gregorianische Choral, der mehrfach erklingt, ist Stabat Mater, auch hier hält sich Liszt sehr eng an das Original:
Weiterhin vertont Liszt die protestantischen Choräle: ‚O Haupt voll Blut und Wunden‘ sowie ‚O Traurigkeit, o Herzleid‘. Damit macht er klar, dass es ihm um etwas ging, was wir heute Ökumene nennen würden. Genau in den Entstehungsjahren des Werkes gibt es die ersten überkonfessionellen Konferenzen zwischen den christlichen Kirchen in Bonn.
Das Werk war Liszt eine Herzensangelegenheit und er erhoffte sich eine größere Verbreitung. Dennoch fand er zu Lebzeiten keinen Verleger, obwohl er es unentgeltlich zum Druck anbot: „… denn sie passen nicht zum gewöhnlichen Musikgebrauch und -betrieb. Warum damit markten?“
Erst am Karfreitag 1929 erlebte das Werk seine Uraufführung in Budapest, da war Liszt bereits vor 33 Jahren gestorben.
Ein musikalischer Genuss und zugleich eine musikalische Herausforderung in der Karwoche.
Faksimile von Statio VIII ‚Les femmes de Jerusalem‘:
Der gebürtige Brückenauer Steffen Zeller arbeitet in München als Projektleiter beim bayerischen Tonkünstlerverband, als Musikschulleiter in Marktbreit sowie als nebenamtlicher Kirchenmusiker in Weikersheim/Nassau. Er organisiert regelmäßig musikalische sowie musikpädagogische Projekte, bei denen er auch mit Klavier und Tuba als Musiker auftritt.
Steffen Zeller studierte Musikwissenschaften, Philosophie, ev. Theologie sowie Orchesterdirigieren in Würzburg, Bamberg, Frankfurt, Nürnberg und St. Petersburg.